Es war einer der ersten sonnigen Tage im neuen Jahr. Der Frühling hatte bereits weite Teile des Lehens Löwenstein, in Dunkelbrunn, mit seinem zarten Hauch aus dem kalten und düsteren Winter gekitzelt. Die ersten warmen und kräftigenden Strahlen der Sonne zogen zwar noch vereinzelt, aber bereits gut erkennbar über die langsam erwachenden grünen Wiesen und Weiden hinweg. Die ersten Knospen und Triebe reckten sich gemütlich den Kronen und Wipfeln entgegen.
Es sollte ein schöner und guter Tag werden, an welchem die Frau Ann-Sophie von Löwenstein bereits früh morgens, vor die Pforte der Trutz ihrer Familie trat. Lange lag die Verantwortung doch schon bei ihr, doch gerade an solchen Tagen schäumten gelegentlich Gedanken an ihren verstorbenen Bruder in ihr auf. War es nicht eben hier geschehen? Gerade als man sich eigentlich zu Feier und Fest auf einem Turnier getroffen hatte?… Schnell zog Ann-Sophie den, allseits bekannten blauen, Reisemantel enger um sich und schob mit einem leichten Wisch, nicht nur eine Strähne ihrer glänzend roten Haare aus ihrem Gesicht, sondern auch, die düsteren Gedanken beiseite.
Freundschaft, Familie, Zusammenhalt, Vertrauen, Bindung und noch viele Gemeinsamkeiten hatte sie, nicht nur durch ihre Ritterbrüder und Schwestern, immer wieder erfahren dürfen. Gerade einer ihrer jüngeren Ritterbrüder hielt sie diesbezüglich immer sehr sehr hoch! Also warum nicht Ihnen allen einmal etwas Gutes tun, schoss es ihr in den Geist. War nicht genau das, was ihr leiblicher Bruder auch immer geehrt, geschätzt und geachtet hatte?
Ein Fest? Nein, das wäre zu groß.
Ein Zusammenkommen? Schon besser!
Ist es denn nicht wieder einmal an der Zeit? Doch nur wann? Das Lehen, die Feste, die Verpflichtungen. All dies würde sie hier an Löwenstein oder an anderen Höfen im Ausland tragen.
Wann sollte es denn etwas ruhiger sein im Jahr? Meist zum sechsten Monat gab es einige Momente der Ruhe, auch weil dort die Reben und ihr Lehen etwas zur Ruhe kamen und nicht so viel Arbeit abverlangten. Dann würde es wohl so sein.
Ihren Blick noch einmal über das langsame Erwachen des Tages und ihres Lehens begutachtend, kehrte sie zurück in die warme und stille Halle ihres familiären Stammsitzes.